Die Überschrift mag plakativ sein, der Inhalt stimmt dennoch. In den letzten Jahre reißen die Meldungen über unethisch durchgeführte Medikamentenstudien der großen Pharmaunternehmen nicht ab. Traurige Berühmtheit erlang eine Studie des Pharmakonzern Pfizer im Jahr 1996. Während einer Epidemie teste das Unternehmen an 200 nigerianischen Kindern das inzwischen verbotene Antibiotikum Trovafloxacin. Nach Abschluss der Studie wurden mehrere Todesfällen bekannt. Fünf Kinder starben nach der Gabe des Antibiotikums, sechs weitere Kinder der Kontrollgruppe erlagen ihren Krankheiten. Außerdem häuften sich Berichte über Erblindung, Gehörverlust und Lähmungen. Kritik an der Studie wurde nicht nur deswegen laut, weil die Eignung des Medikaments für Kinder fragwürdig war, sondern auch weil die Kontrollgruppe zu geringe Dosen des Wirkstoffs erhalten hatte. Außerdem war die Genehmigung des Versuchs gefälscht und der nigerianische Prüfarzt erhielt keine vollständige Einsicht in die relevanten Unterlagen. Wikileaks veröffentlichte im Jahr 2010 Dokumente, die darauf schließen lassen, dass Pfizer versucht hat, den nigerianischen Staatsanwalt unter Druck zu setzen und so Strafzahlungen zu verhindern. Ein Arzt, der sich weigerte an der Studie teilzunehmen, wurde wenig später entlassen, auch wenn Pfizer dafür andere Gründe angibt.
Wie wünschenswert es wäre, wäre dies ein Einzelfall und nicht nur die Spitze des Eisbergs. Auch die Konkurrenzunternehmen AstraZeneca und GlaxoSmithKline tun sich bei ihren Studien nicht unbedingt durch Achtung von Moral und Ethik hervor. GlaxoSmithKline wurde erst Anfang des Jahres durch ein argentinisches Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt, weil es Impfstoffe ohne gültige Einverständniserklärung an Kinder getestet hatte. Die vierzehn tote Säuglinge scheinen fast vernachlässigbar, wenn sie mit dem „herausragenden“ Werk von AstraZeneca verglichen werden: Dem Pharmakonzern wird vorgeworfen, medizinische Test in Indien unter anderem an Analphabeten und Armen durchzuführen, und dabei 1.722 (die Dunkelziffer soll weit höher sein) Sterbefälle zu verantworten haben. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass die Todesfälle zumindest teilweise auf vorhergehende schwere Erkrankungen zurückzuführen sind. Dass viele Teilnehmer aufgrund ihres finanziellen Hintergrundes jedoch keine andere Wahl hatten, ist ebenso richtig.
Ohnehin wird Indien (http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/klinische-studien-indien-ist-paradies-fuer-pharma-konzerne-a-832012.html) für die Pharmaunternehmen immer beliebter: Die Ärzte sprechen englisch und genießen das Ansehen der Bevölkerung, es gibt keine rechtlichen Möglichkeiten der Bestrafung und ohnehin können sich die Opfer kein Gerichtsverfahren gegen die mächtigsten Firmen der Welt leisten. Zusätzlich sparen die Konzerne fast die Hälfte der Kosten, wenn sie Studien in Schwellenländern durchführen lassen, und Kontrollmechanismen fehlen derzeit noch. Gleichzeitig versuchen die Unternehmen, Generika in Indien zu verhindern, und begründen dies mit den hohen Entwicklungskosten der Medikamente. Man weiß nicht, ob man darüber lachen oder weinen soll.
Weiterführende Informationen:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/kinder-impfstudie-in-argentinien-richter-verurteilt-glaxosmithkline-zu-geldstrafe-a-807111.html
http://www.cbgnetwork.org/4119.html
http://www.zeit.de/2012/25/DOS-Guatemala/seite-6