Psychologie und Psychiatrie stehen nicht selten vor einem Rechtfertigungszwang. Einer der Gründe ist, dass „harte“ Wissenschaft in diesem Bereich unmöglich war/ist und somit auch Diagnose und Heilung angezweifelt werden können. Die unmögliche Behandlung von Psychiatriepatienten in der Vergangenheit, die teils nur mit Menschenversuchen gleichgesetzt werden können, trägt zusammen mit der Ausblendung von psychischen Krankheiten durch die Gesellschaft dazu bei, dass Einrichtungen und Heilmethoden nicht ernst genommen werden.
Mitverantwortlich für den schlechten Ruf ist sicherlich das Rosenhan-Experiment. Von 1968 bis 1972 führte David Rosenhan, selbst Psychologe, in verschiedenen US-amerikanischen psychiatrischen Anstalten durch. Beim ersten Teil des Versuchs meldeten sich gesunde Menschen unter der Vorgabe, Halluzinationen zu haben, in den jeweiligen Einrichtungen an. Insgesamt waren an den Versuchen acht Menschen und 12 Anstalten beteiligt. Alle wurden in die Psychiatrie aufgenommen, größtenteils mit der Diagnose Schizophrenie. Danach verhielten sich die „Patienten“ wieder völlig normal und blieben (mit Ausnahme von tatsächlichen Namen und Erwerbstätigkeit) in Gesprächen vollständig bei der Wahrheit. Dennoch wurden ihnen Medikamente verschrieben, die sie heimlich nicht zu sich nahmen. Der längste Aufenthalt eines Scheinpatienten lag bei 52 Tagen, im Schnitt wurden die Versuchsteilnehmer nach 19 Tagen als symptomfrei (nicht als geheilt) entlassen. Während die meisten Patienten die Scheinpatienten relativ schnell durchschauten, kamen Pflegepersonal und Ärzte nicht auf die Idee, dass bei den Versuchsteilnehmern keine psychische Krankheit vorliegen könnte. Gründe dafür sollen unter anderem der mangelhafte Zeitaufwand und die fehlende Aufmerksamkeit der Ärzte sein.
Der zweite Teil des Experiments wurde möglich, nachdem die Ergebnisse bekannt wurden und ein Institut bekanntgab, es könne ihm nicht passieren. Rosenhan behauptete daraufhin, dass sich in der Folgezeit Scheinpatienten in der Anstalt einfinden würden, ohne dies wirklich zu veranlassen. Das Institut „entdeckte“ daraufhin von 193 Einlieferungen 41 „Pseudopatienten“ und verdächtigte 42 weitere.
Rosenhan musste nach der Veröffentlichung viel Kritik einstecken. Unter anderem wurde bemängelt, dass für eine psychiatrische Diagnose eine wahrheitsgemäße Selbstauskunft durch den Patienten entscheidend ist und andere medizinische Fachbereiche ähnlich negative Ergebnisse erzielen würden, wären sie auf Falschaussagen angewiesen. Dennoch führte das Rosenhan-Experiment zu einer Überarbeitung des Diagnoseschlüssels und trug somit dazu bei, die Zuverlässigkeit von Befunden zu verbessern.